Andy Hope 1930 German Text by Esther Buss

Andy Hope 1930
Time Enough at Last

Dass uns der Ausnahmezustand Zeit schenkt ist ein Versprechen, das selten gehalten wird, sowieso nur für wenige gilt und sich manchmal als böser Witz erweist. In der Episode der US-amerikanischen Anthologie-Fernsehserie The Twilight Zone, die der Ausstellung von Andy Hope 1930 ihren Titel leiht, muss der Protagonist, ein extrem gefräßiger Bücherwurm, als einziger Überlebender eines Atomkrieges die ganze Tragik dieser falschen Annahme erfahren. Just in dem Moment, als der „kleine Mann mit den Gläsern, der nichts anderes als Zeit wollte“ in den Ruinen der öffentlichen Bibliothek glückselig zum ersten Buch greift, fällt seine Brille herunter und zerspringt.

An eben diesem Kipppunkt zwischen Versprechen und Desillusionierung, Post-Apokalypse und Gegenwartserzählung, bewegen sich auch die Malereien, die Andy Hope 1930 in der Ausstellung bei Sauvage zeigt. Sie alle sind Fortsetzungen von Werkserien, die um die Relationen und Synergieeffekte von Kosmologie und Konstruktivismus kreisen.

Das schwarze Oval aus der Serie Infinity Crisis erinnert an die Ikone der Moderne, die Malevich vor mehr als 100 Jahren das erste Mal ausstellte. Doch anders als Hopes Time-Machine-Bilder, in denen die schwarze Fläche noch in direkter Anlehnung an die Monochrome auf die Leinwand gesetzt wurde, lösen sich die mit Acyrllack gesprühten Formen in einer unkonturierten Wolke auf. Die hochkulturelle Referenz wird buchstäblich vernebelt und wirkt nun wie durch die billigen Gruseleffekte eines B-Movies kontaminiert. Man könnte bei diesen „Krisenbildern“ an den Schatten eines Gesichts denken oder auch an das Portal in ein schwarzes Loch. Die Anziehungskräfte, die den Blick hypnotisch ins black hole ziehen, sind aber auch im Zeichen selbst aktiv: Das Oval scheint wie ein durch Gravitation verzerrter Kreis – auf den „Rest“ dieser Urform verweist das quadratische Bild Infinity Crisis 7 (2021). Nicht nur in den Infinity Crisis-Malereien wird das Pioniertum der Avantgarde mit einer anderen – und politisch extrem prekären – Verschiebung der frontier verbunden: der Kolonisierung des Weltalls.

Das größte Gemälde in der Ausstellung A Space Philosophy 8 (2020) wirft durch die teleskophafte Umrisslinie einer Mülltonne einen Blick ins All und infiziert damit erneut das Sublime mit dem Schäbigen und umgekehrt. Wie bei dem Sprachbild Unknown 13 (2020) spielt der Einsatz von Goldglitter mit der Sprache von Disco und Pop: der schöne Schein, hinter dem sich möglicherweise nichts als Abfall verbirgt. Auch bei den Flächen, die den Raum des Containers vollständig ausfüllen, lässt sich schwer sagen, ob es sich um Müllsäcke oder benachtbarte Galaxienhaufen handelt. Die territorialen Markierungen zwischen den aufgeblähten Hohlräumen verweisen indes auf eine viel konkretere Situation, nämlich der Zuspitzung asymmetrischer Eigentumsverhältnisse im Space. Tatsächlich befinden wir uns mitten in einem neuen und extrem beschleunigenden Wettlauf ins All, der von milliardenschweren Privatunternehmen und einer wachsenden Anzahl von Nationen betrieben und gegenseitig befeuert wird. Noch mag an den rivalisierenden Operationen der egomanen Rocket Men, die die Belange des Planeten nicht kümmern der Eindruck des Exaltierten überwiegen. Doch wenn die Erde sich weiter so ungebremst zum Katastrophengebiet auswächst, könnten Weltraumreisen zu privilegierten Fluchtwegen werden. Der Begriff „eskapistisch“, mit dem Ausflüge der Malerei ins Feld der Sci Fi noch vor einigen Jahren (und das oft mit Argwohn) etikettiert wurden, ist längst umgekippt: mitten hinein in unsere Gegenwart.

Esther Buss