Ge-bonn-gt
Erstmals war ich zu einer Tagung des Verbandes deutscher Kunsthistoriker in Bonn, 1979 oder 1980. Abends war ich dann noch, warum ist mir unklar, in der Wohnung von Dirk Stemmler, damals Kurator des Bonner Kunstmuseums. Er hatte schon damals sein rotes Gesicht, seine damalige Frau die roten Haare. Es wurde viel getrunken, am Ende nur noch Obstler von der Mosel. Ich lernte dort auch Klaus Honnef kennen vom Rheinischen Landesmuseum, der mir wie das Mitglied einer trotzkistischen Exilregierung erschien. Alle waren wir ziemlich besoffen.
Wenig später war es die Übernahme der Ausstellung „Typisch Frau“ des Bonner Kunstvereins, weshalb ich bei Margarethe Joachimsen im Kunstverein in einem Seitenflügel des Schlosses weilte. Sie war eine freundliche, aber bestimmte Frau mit durchdringender Stimme, immerhin Gemahlin eines NRW Ministers. Aber die Rücktransporte, die ich machen musste, waren chaotisch, weil zollamtlich nicht gemeldet. Eine Skulptur von Niki de Saint Phalle musste also mit einem Camper schwarz in die Schweiz transportiert werden. Und Meret Oppenheim rief mich besorgt an, wo denn ihre Arbeit blieb.
Dann erinnere ich mich, vermutlich 1983, einer Fahrt nach Bonn um auf Vermittlung des Galeristen Erhard Klein Sigmar Polke zu treffen und zwar im Foyer des alten Kunstmuseum Gebäudes. Ich erwünschte mir seine Teilnahme an meiner Ausstellung „Umgang mit der Aura“ im „Leeren Beutel“ in Regensburg. Polke telefonierte gerade, wie ich entnehmen konnte, mit Harry Szeemann, den er wütend wegen eines nicht funktionierenden Transportes „Arschloch“ titulierte. Er hatte etwas Gewaltsames mit seinen ungepflegten spitzen Westernstiefeln. Zu mir war er sehr freundlich und half mir mit Bildern weiter. Die Eröffnungen der postmodernen Bundeskunstgebäuden hinterließen bei mir großen Eindruck, der schnell verblasste. Weiss noch, dass ich 1995 zur Eröffnung von Axel Hüttes Soloshow im Rheinischen Landesmuseum ging. Zu einem Umtrunk oder Essen war ich meiner Erinnerung nach nicht eingeladen oder der fand nicht statt. Jedenfalls sehe ich mich noch in einer kleinen Runde an einem Café ´tisch auf einem Bonner Platz sitzen. Dabei auch die Athener Galeristin Elena Koroneu und Martin Kippenberger. . . Ein Jahr zuvor war ich im Dreiervorschlag für die Direktorenstelle des Kunstmuseums zur Vorstellung. Das konnte nichts werden, Ich war denen zu heftig. Hatte mich zuvor erkundigt, wie Katharina Schmidt die Stelle erhalten hätte. Durch kompromissloses Widersprechen beim Vorstellungsgespräch, hörte ich. Zweimal dieselbe Masche, das konnte nicht klappen. Ich erschien als zu wenig kompromissbereit. Schließlich nahmen sie mit Fürsprache eines Bonner Imi-Knoebel-Sammlers den kreuzbraven Dieter Ronte, der ein gepflegtes akademisches Auftreten hatte. Er, der sich gerne weltmännisch das Sacco über die Schultern warf, passte besser als ich in den Spargelsäulenbau von Axel Schulte. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich später im postmodernen Original des Herrn Hollein Platz nehmen sollte, einen Posten, den ich sicher nur deshalb erhielt, weil mein Großvater aus Mönchengladbach stammte.
Sehe mich auch noch im Auditorium des Kunstmuseums sitzen bei der Eröffnungsansprache des Kurators Klaus Schrenck für meinen ehemaligen Freund , den in Wien lebenden Schweizer Maler Helmut Federle, der statt meiner eine Einzelausstellung dieses Neo Geo Künstlers unternahm und mit Tränen der Rührung beendete, auch weil er Bonn verließ. Hat es ja noch zum Generaldirektor der Münchner Pinakotheken gebracht.
Des Öfteren besuchte ich Vernissagen des Bonner Kunstvereins. Zum Beispiel jene von John Bock, wo ich die CD seiner Installation „Peperoni“ erwarb, später mit Henning Boecker in der Show von Helen Chedwick, die sich Spartacus nannte, die afrikanische Rituale auf keltische übertrug, aber noch nichts von Brexit wusste. Ich war auch auf Gutheißen von Annelie Pohlen weit zuvor in der Jury des Peter Mertes-Stipendiums gewesen, jenes Wein-Managers mit dem einladenden Namen Willkomm, der noch immer schreibt: „Wir befürworten einen verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol.“ und mit seinen zuckersüßen Liebfrauenmilch-Verschnitten so manche Altersdiabetes gefördert hat- außer der Künstlerförderung.
Um 2000 lernte ich dann als einziger und alleiniger Bundeskurator während der Gerhard-Schroeder – Ära für die Sammlung der Bundesrepublik Deutschland. das Lager der Kunstsammlung des Bundes kennen. Ansprechpartner waren zwei reizende Beamte, Gerd “Rübe“ Trautmann und ein Herr Siebert. Da ich den Ankauf nach eigenem Gutdünken durchführte, gab es wenig Kompromisskunst. Herolds großes Lattenbild „Deutschland in den Grenzen von 1937“ gehörte dazu, eine Lampe von Isa Genzken, auch Kai Althoffs grandiose Deutschland-Installation, die später im Gropiusbau durch Unachtsamkeit verbrannte. Von Kippenberger konnte man nur noch Plakate kaufen, so teuer waren die Preise schon geworden. Aber diese hingen sie spontan in die Gänge der Ministerialbüros. Das fand ich bemerkenswert. Aus der Wohnung der verstorbenen Bonner Galeristin Philomene Magers, einer reizenden Person, kaufte ich von ihrer Tochter eine große Aktionszeichnung von Beuys. Aber auch Meese, Bock, Tillmans und Pernice standen auf meiner Liste.
Sigmar Polkes Eröffnung seiner Ausstellung „Die Drei Lügen der Malerei“ in der Bundeskunsthalle ist mir auch in Erinnerung geblieben. Wenzel Jakob, der Intendant hatte das in seiner leutseligen Art gut hinbekommen. Polke konnte mit dem fetten Budget kommen lassen, was er für richtig hielt. Ich kannte Wenzel noch von Kassel, wo er als Assistent der Schneckenburger-Documenta mehr gute Laune verbreitete als arbeitete. Immer jovial und im großen Stil. Mein Gesammeltes für den Bund durfte er dann in Sankt Petersburg präsentieren. Ich erhielt nicht mal mehr eine Einladung. Die Nachfolgerin von Rübe Trautmann, eine Dame mit Doppelnamen war mir nämlich weniger hold, weil ich ein frühes Kippenberger Bild aus dem Besitz ihres ehemaligen Freundes verschmäht hatte.
Und nicht zu vergessen, 2007 organisierte ich die Ausstellung von Klara Lidén im Bonner Kunstverein in meiner Eigenschaft als Promoter des kurzlebigen Blau Orange Preises. Alles lief gut. Zur Eröffnung kam sogar Elisabeth Peyton, die neue Partnerin der schwedischen subversiven Künstlerin. In der Zeitung erfuhr eine ältere Dame von meinem Hiersein. wir hatten uns 1966 in München beim Studium kennengelernt, Erika, eine intelligente, hübsche und humorvolle Person, die ich aber aus den Augen verloren hatte. Sie erzählte mir in einem Bonner Café, dass sie jahrelang mit der Radha Krischna-Sekte in den USA gelebt hatte. Das hatte ich nicht erwartet.
Im letzten Jahr war ich erstmals in Schloss Falkenlust bei Brühl. Rokoko, von Francois de Cuvillies, aber von einem Freimaurer in Auftrag gegeben, und für den Mops-orden präpariert. Fürstbischof Clemens August, wer hätte das gedacht. Und ich besuchte bei dieser Gelegenheit einen Parkinson-Spezialisten in der Universitätsklinik am Venusberg, wer hätte das gedacht.
Im Gegensatz zu den Kölner Schlaufüchsen und den Alt-Klugen Düsseldorfern waren die Bonner für mich immer Gutmenschen oder solche, die vorgaben es zu sein.
Bon – sagt man in Italien, wo ich lebe, wenn etwas ok ist und spricht es aus wie „Bonn“.
Veit Loers, Februar 2019