Andreas Breunig
Copy & Waste
May 10 – June 22, 2019
Copy & Waste stellt zeitgenössische Malerei in einen Zusammenhang zu den Bilddiskursen der Gegenwart. Gezeigt werden vier gleichgroße Bilder, die auf den ersten Blick identisch erscheinen. Bei näherer Betrachtung offenbaren sich jedoch nicht nur in den Details eine Fülle von Varianten, sondern auch die mediale Andersartigkeit des vierten Bildes, das nicht mit Öl auf Leinwand ausgeführt wurde, sondern als Digitaldruck.
Betrachtet man die mehr oder weniger identischen Einzelbilder, so wird deutlich, dass das historische Model, auf das sich Andreas Breunig hier, sowie grundsätzlich fokussiert, das Grid Painting der abstrakten Nachkriegsmalerei ist (natürlich war es auch bereits für Piet Mondrian ein zentrales Betätigungsfeld gewesen). Zu den Eigentümlichkeiten eines Grid Paintings gehört das Spannungsverhältnis zwischen zwei unterschiedlichen Bezugsgrößen: einerseits eine netzartige Gesamtanlage, die Bildfestigkeit garantiert, andererseits eine gitter- bzw. zellenartige Mikrostruktur.
Bei Andreas Breunig entstehen in dieser Mikrostruktur Bilder im Bild, die sich sowohl collagenartig voneinander absetzen, als auch zu einer Gesamtkomposition verklammert sind. Zeichnerisch dominierte, vermeintlich spontan-ungestüm gepinselte Fakturen treten im Rahmen einer vielgestaltigen Tektonik aus rechteckigen Flächenformen in Erscheinung – Formen, die sich
addieren und/oder versatzstückartig überschneiden, um räumliche Staffelungen, sowie vermeintliche und reale Bildtiefen zu erzeugen.
Der Künstler deutet die identitätsstiftenden Parameter eines Gitter-Bildes bewusst grenzwertig aus. Stabile Tektonik droht auf virtuose Weise ins Nachlässige, Zerfaserte und Ungeordnete umzukippen. Dazu tragen u.a. wuchernde Strichführungen bei: mal sind es beiläufige, mal fiebrig-nervöse und mal expressiv-stotternde Entladungen. Satte Farbe hängt präzis-unpräzise in lädiert hingehuschten, maschendrahtähnlichen Gittern. In koloristischer Finesse verquicken sich abgespeckte De Kooning und Philip Guston-artige Pinselkürzel. Expressiv und übersteigert Anmutendes fusioniert allerdings auch mit dem bewusst lapidar Gesetzten als einem Ausdruckswert, der seit Sigmar Polke und Albert Oehlen in der deutschen Malerei über ein halbes Jahrhundert hinaus seinen Platz hat.
Für die Ausstellung Copy & Waste im Kunstraum Sauvage ist bedeutsam, dass der periodisch und seriell bestimmte Charakter des Grid Paintings konzeptuell auf den Modus Bild und Bildvarianz erweitert wird. Mit der Vorführung des Vervielfältigten, des scheinbar Identischen streift Andreas Breunig nicht nur aktuelle gesellschaftliche Themen, sondern auch technologische Topoi, die die Gegenwart und wohl auch die Zukunft der industriellen Welt tangieren werden: Avatar- und Roboter-Phantasien kreisen um den Stellvertreter, um das willfährige Duplikat, das den Menschen von einer realen, aber auch von der existenziellen Last entbinden will, ein Individuum zu sein.
Mindestens so wichtig wie diese zeitgeistige Identitätsthematik ist, dass das spezifische Konzept der Ausstellung als paradigmatischer Kommentar zu entscheidenden künstlerischen Issues dient: Breunig thematisiert den Topos der künstlerischen Handschrift sowie die relevanten Sachverhalte Wiederholung und Fortführung, die im Rahmen der Entwicklung eines künstlerischen OEuvres von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Thomas Grötz, Berlin April 2019